Part 4: Wenn Engel reisen. Oder: Holiday on the first floor.
„Urlaub für alle“ lautete jüngst die Überschrift des Babyclub-Newsletters eines bekannten deutschen Drogeriemarktes. „Denn fern dem Alltag locken Entdeckungen und Erfahrungen, die Sie zu Hause nicht machen können“, hieß es weiter. Wer Kinder hat, oder besser gesagt Zwillinge, für den klingt das fast ein bisschen ironisch. Erfahrungen, die man zu Hause nicht machen kann… Vielleicht die Erfahrung, wie sich eine spanische Paella erbricht? Wie es sich anfühlt, mit Kinderfüßen in Krebse zu treten? Oder wie man mit Gestik und Mimik in der italienischen Provinz kommuniziert, dass einem soeben die Humana Hypoallergene Anfangsnahrung HA1 ausgegangen ist und man dringend zwei neue Packungen benötigt?
Nein, nicht so negativ. Auch ich spielte schon mit dem Gedanken, mit den Zwergen in Urlaub zu fahren. Natürlich nicht in weite Fernen, ich dachte eher an Länder, deren Sprache ich auch beherrsche. Um den Ernstfall zu proben, haben wir in letzter Zeit hin und wieder Ausflüge unternommen und das kuschelige Nest zu verlassen. Zu Hause hat sich eine angenehme Routine eingespielt, unser Tagesablauf ist so geregelt, dass sich alle damit wohlfühlen. Unterwegs ist das natürlich so nicht mehr möglich, aber bei Zielen rund um Fulda und in der Rhön bleibt uns immer noch der way back home – anders als im Urlaub.
Ein schnöder Restaurantbesuch kann dabei schon zu einem echten Ereignis werden. Mittlerweile sind bei uns die Zeiten vorbei, wo man zwei schlafende Kinder im Kinderwagen neben sich schaukelt und genüsslich sein Mahl verzehrt. Action muss her! Die Knirpse thronen also in ihren Hochstühlchen (sofern das gewählte Etablissement zwei funktionstüchtige Modelle besitzt), plappern vor sich her, essen die Tischdeko und schauen sich Bücher an, die Mama in weiser Voraussicht mitgenommen hat. Wir bestellen also unser Essen und warten. Dann tritt ein merkwürdiges Phänomen zu Tage: Sobald ein Teller mit dampfendem Inhalt vor mir steht, sind Bücher und Tischdeko doof. Auch Autos, Stapeltürme und Spieluhren interessieren nicht, der Löffel mit Brei wird galant zur Seite geschoben. Unruhe macht sich breit, man will raus – laufen, krabbeln, spielen. Mit etwas Glück, oder mittlerweile mit viel Wissen, kennt man Gaststätten mit tollen Spielecken. Sollte sich aber beim Blick nach links und rechts herausstellen, dass der Gastronom den Spieltrieb des Kindes mit einem ranzigen Malbuch abgedeckt sieht, bleibt nur eins: Jungs schnappen, draußen flitzen, essen kalt werden lassen. Die eventuell mitgekommene Begleitung speist also alleine. Merke: Im Urlaub wird immer nur einer satt. Und: Ein Laufställchen ist Gold wert, ich will nach Hause.
Die bessere Variante ist ein Café-Besuch. Ein möglicher Grund hierfür könnte sein, dass Kuchen nicht dampft. Oder aber ganz profan: Die kurze Wartezeit, da Kaffee und Kuchen schneller am Tisch sind als Rehkeule und Serviettenknödel. Check! Im Urlaub müsste also dank Sahnetorte und Cappuccino doch keiner verhungern. Trotz allem bin ich mir bezüglich Wegfahren unsicher, da ich den Organisationsaufwand nur schwer abschätzen kann. Zu Hause ist ja alles da – vom Windeleimer über Lieblingsspielzeug bis zur Babywippe. Was passiert, wenn ich beim Packen etwas vergesse? Bekommt den Jungs viel Sonne gut? Vertragen Sie anderes essen als Pampe à la Mama? Und wie soll das Gefährt aussehen, mit dem wir losziehen? Kinderwagen, Koffer, Zubehör… Und Insassen, das wird ein enges Ding.
Ihr seht, ein großer Urlaub mit kleinen Zwillingen ist eine nicht ganz so einfache Sache. Ich wäre auch überhaupt nicht böse drum, unsere freien Tage in diesem Jahr auf Balkonien zu verbringen. Dort ist es nämlich auch richtig schön, fette Poolparty in der Sandmuschel inklusive. Und wer sagt, dass man mit den nagelneuen Dreirädern rund um den Rathausbrunnen keine neuen Erfahrungen machen kann?!
Eure (nicht urlaubsreife)
Homie-Marie